10.05.2021

Wie entsteht ein Comic?

Kaboom! Aaargh! Bam! Comics haben eine große Fangemeinde auf der ganzen Welt. Es gibt unzählige Geschichten, Stile und Ansätze. Aber wie entsteht ein Bild im Comicstil? Illustrator Max Tiedtke erklärt uns die einzelnen Arbeitsschritte von der Idee bis zur finalen Zeichnung.

Blick auf einen Schreibtisch, auf dem ein koloriertes Comicbild liegt. Drumherum liegen Stifte, Bristolpapier von Hahnemühle und ein Aquarellkasten.

Hallo Max, hast du einen Lieblingscomic?

Was für eine schwierige Frage, ich habe unzählige Lieblingscomics … Meine Lieblingsbegleiter aus der Kindheit sind immer noch "Asterix und Obelix", damit ging alles los. Ich habe immer wieder einzelne Hefte als Urlaubslektüre geschenkt bekommen. Ganz genau nahm ich die Comics unter die Lupe: Wie sind die Charaktere gezeichnet? Wie sind die Bilder aufgebaut? Ich habe sie gehütet wie einen Schatz.

Wie erarbeitest du deine Skizzen für einen Comic?

Mit Skizzen geht alles los, hier wird mein Kopfkino in Form gebracht. Ich versuche, nicht zu viel nachzudenken, sondern Ideen spontan und lose zu formulieren. Es ist eher eine assoziative Art zu arbeiten, manchmal entstehen aus kleinen Ausrutschern neue Eingebungen, das sind "happy accidents".

Illustrator Max Tiedtke sitzt am Schreibtisch und koloriert einen Comic.
Max Tiedtke ist freiberuflicher Illustrator.

Ich zeichne bei Skizzen entweder in ein Skizzenbuch wie das Nostalgie-Skizzenbuch von Hahnemühle, oder auf loses Skizzenpapier in einem Block. Mit weichen Bleistiften – ich verwende meistens die Härtegrade 4B bis 6B – geht man automatisch nicht zu sehr ins Detail. Habe ich das Grundvolumen meiner Figuren erarbeitet, kann ich mich an Kontraste und Details machen. Dafür nehme ich gerne einen härteren Druckbleistift zur Hand, es gibt sie auch mit farbigen Minen. Klassischerweise verwendet man in der Comicillustration einen blauen Druckbleistift. Das liegt daran, dass alte Scanner den Blauton nicht erfassten. So konnten die Comiczeichner mit schwarzer Farbe direkt über die Zeichnung tuschen – sichtbar war im digitalen Produkt dann nur die schwarze Farbe, nicht aber die blaue Vorzeichnung. Entweder arbeitet man direkt auf den ersten Skizzenpapieren weiter, oder man greift zu einem neuen Blatt Papier.

Nahaufnahme einer Hand, die mit einem blauen Druckbleistift eine Vorzeichnung für einen Comic erstellt.
Blaue Druckbleistifte werden traditionellerweise für Vorzeichnungen von Comics genutzt.

Wie entsteht das Layout eines Comics?

Es ist wichtig, dass das Bild funktioniert. Wer steht wo? Wie ist die Bildaufteilung? Wo soll Text hin, wo Figuren? Dafür zeichne ich mir auf ein Skizzenpapier kleine Rechtecke, in denen ich unterschiedliche Anordnungen ausprobiere – die so genannten thumbnails. Das kleine Format hat den Vorteil, dass es sehr übersichtlich ist und ich nicht in Versuchung gerate, Details auszuarbeiten. Habe ich die richtige Anordnung gefunden, kann ich diese auf ein größeres Format übertragen.

Wie geht es weiter?

Ich übertrage meinen thumbnail auf ein größeres Skizzenpapier. An dieser Skizze arbeite ich mit Bleistift so lange, bis ich zufrieden bin – sie ist die Grundlage für mein Endprodukt. Ich skizziere Schatten und Effekte in dem Maß, wie ich sie für die Reinzeichnung mit der Tusche brauche.

Blick auf den Schreibtisch eines Comiczeichners: Man sieht eine Bleistiftskizze auf einem Leuchttisch liegen, drumherum Stifte und Papiere zum Zeichnen, einen Leuchttisch sowie ein Slozzenbuch und Bristolpapier von Hahnemühle.
Die Bleistiftskizze ist die Basis für das fertige Comicbild und muss recht präzise ausgearbeitet werden.

Wie kommt die Tusche in den Comic?

Den nächsten Arbeitsschritt nennt man Reinzeichnung, Tuschen, inking oder cleaning. Ich lege die Skizze auf meinen Leuchttisch und klebe sie mit etwas Malerkrepp fest. Bei gutem Skizzenpapier, wie dem von Hahnemühle, lässt sich der Krepp später rückstandslos entfernen. Darüber lege ich nun ein Blatt Bristolkarton. Dieses Papier ist eine "eierlegende Wollmilchsau": Es ist unglaublich glatt, die Stifte gleiten ganz geschmeidig über das Papier, Tinte trocknet sehr schnell darauf, man kann sehr scharfe Konturen erstellen. Von unten scheint die Skizze dank des Leuchttischs durch den Bristolkarton durch. Jetzt greife ich zu schwarzem Fineliner, Pinselstift und Filzstift. Mit Fineliner und Filzstift umreiße ich die Konturen und schraffiere, die Pinselstifte setzen die Schattierungen. Die schwarz-weiße Variante des Comics ist jetzt fertig.

Nahaufnahme einer Illustration im Comicstil in schwarz weiß. Motiv: Ein Hahn in Rüstung springt über Gegner hinweg. Drumherum liegen Stifte zum Zeichnen.
In der Reinzeichnung wird der Comic mit Filzstift und Fineliner weiter ausgearbeitet.

Wie bringst du Farbe in den Comic?

Das kommt auf den Comic an. In unserem Beispiel habe ich mit einer mixed media-Technik mit Aquarellfarben und Pinselmarkern gearbeitet. Auf dem Bristolkarton von Hahnemühle lassen sich Aquarellfarben toll einsetzen, er verträgt sogar mehrere Schichten. Man muss allerdings auch etwas lockerer und schneller arbeiten, da die Farben schneller trocknen als auf Aquarellpapier.

Nahaufnahme einer Hand, die ein Bild im Comicstil koloriert.
Max Tiedtke arbeitet bei diesem Comic mit Aquarellfarben und Pinselmarkern.

Wie wichtig ist es, das richtige Papier zu verwenden?

Schlechtes Papier vermiest einem beim Zeichnen sofort die Laune. Wenn der Bleistift über das Papier kratzt oder es aufreißt, wenn ich mit Kraft statt Schwung arbeiten muss, gebremst werde oder das Papier unter dem Radiergummi reißt oder aufrubbelt, habe ich sofort keine Lust mehr.

Gutes Papier hingegen ist gutmütig: Es hat eine gute Oberflächenstruktur und gibt mir die Freiheit, die ich beim Zeichnen brauche. Für Skizzen brauche ich ein Papier, das eine ganz leichte, kaum sichtbare Körnung hat, das aber noch glatt genug ist für die Arbeit mit dem Fineliner und sich sogar für ein bisschen Kolorieren mit Aquarell eignet. Dennoch muss es dünn genug sein, damit das Licht meines Leuchttischs ausreichend hindurchscheint.

Für mich ist die Arbeit mit dem Papier auch eine ganz sinnliche Erfahrung: Ich streiche gerne darüber und rieche an Papier. Damit baue ich einen richtigen Bezug zu meinem Arbeitsmaterial auf und lerne es wertzuschätzen. Guter Bristolkarton fühlt sich fast an wie ein Bildschirm, er ist unglaublich weiß und lässt sich sogar bedrucken.

Ein Bild im Comicstil: Ein Hahn in Rüstung springt mit einem "Kikeriki" über Gegner hinweg.
Damit ein Comic seine volle Wirkung entfaltet, kommt es auf die Qualität des Papiers an.

Außerdem lässt er sich mit unterschiedlichen Materialien bearbeiten: Von Aquarell über Pinselmarker bis hin zu Acrylfarben, Bristolkarton macht bei fast allem mit! Das ist toll, weil ich in meiner kreativen Freiheit nicht eingeschränkt werde und viele verschiedene Effekte erzielen kann. Habe ich das passende Papier gefunden, ist das ein richtiger Spielplatz für mich. Es ist wie das Fenster in die Welt, die sonst nur in meinem Kopf existiert.

Welchen Tipp hast du für Anfänger in Sachen Comics?

Bleistift in die Hand und los geht's. Es gibt zwar Kurse und Seminare, aber Zeichnen lernt man eben nur durchs Zeichen. Arbeitet man mit einem Skizzenbuch, kann man seine eigene Entwicklung gut beobachten. Lest Comics, studiert die Bilder, erstellt kleine thumbnails, spielt Geschichten im Kleinen durch … Es gibt kein "man darf nicht". Erlaubt ist alles, was Spaß macht.

Und wie findet man seinen eigenen Stil?

Vermutlich beginnt jeder damit, seine Lieblingskünstler nachzuzeichnen. Das ist der erste, natürliche Schritt und hier lernt man eine ganze Menge über Formsprache, Licht und Schatten … Als nächstes würde ich versuchen, locker mal eine ganze Geschichte durchzuzeichnen – unterwegs passieren vielleicht unvorhergesehene "happy accidents", die man später nutzen kann. Meiner Erfahrung nach kommt man dann zu seinem ganz persönlichen Stil, wenn es einfach Spaß macht. Wenn ich zeichne, aber am wenigsten über das Zeichnen nachdenke.

Auf einem Schreibtisch liegt die Reinzeichnung eines Comics in schwarz weiß. Das Motiv: Ein Hahn in Rüstung springt über Gegner hinweg. Im Hitnergrund liegt ein Block Bristolpapier von Hahnemühle.
Zeichnen sollte vor allem Spaß machen, erinnert der Illustrator.

Schaust du dir manchmal deine alten Kunstwerke an?

Bei meinen Entwürfen aus dem Studium denke ich mir manchmal: "Was hast du denn da gemacht?!" Und dann sehe ich über den Verlauf der Semester die Entwicklung in meinen Zeichnungen und merke: Ich lerne einfach nie aus, ich bin nie "fertig" – das ist toll!

Wenn ich mir heute Zeichnungen aus meiner Kindheit anschaue, kann ich richtige Meilensteine beobachten. Und ich kann wieder genau spüren, welche Lust und Energie ich beim Zeichnen empfunden habe. Das ist ja das Schöne: Als Kind zeichnest du nur um des Zeichnens willen, um deine Fantasie aufs Papier zu bringen. Ich versuche immer wieder, daran zu denken, um mich nicht vom Perfektionismus ausbremsen zu lassen.

Vielen Dank für das Interview!

Über Illustrator Max Tiedtke

Max Tiedtke ist freiberuflicher Illustrator, seine ersten "Aufträge" bekam er in der Kindheit von Schulfreunden: "Sie haben sich Motive ausgedacht, die ich dann nach ihren Wünschen gezeichnet habe." Heute bietet der Oldenburger Arbeiten rund um die Themen Comic/Cartoon, Character Design, Storyboard/Layout, Concept Art und Editorial Design an. "Zeichnen und Entwerfen ist zu 100 Prozent mein Ding", sagt der Illustrator. Er hat an der MSD FH Münster Illustration studiert und auch Erfahrungen in Bereich 2D und 3D-Animation gesammelt. Ob Infografik, Kartenspieldesign oder interaktive Graphic Novel – Max Tiedtke erweckt mit seinem Pinselstrich alles zum Leben.

Max Tiedtkes bei der Arbeit am Schreibtisch
Max Tiedtkes Steckenpferde sind die Bereiche Comic/Cartoon, Character Design und Storyboard/Layout.

Alles rund ums Comiczeichen: Materialien bei Onken

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Video: "Asterix der Gallier"

Die beliebten "Asterix und Obelix"-Comics wurden bereits sehr früh verfilmt. Schauen Sie hier in "Asterix der Gallier" rein, den ersten Comicfilm von 1967. Fühlen auch Sie sich in Ihre Kindheit zurückversetzt?

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